Rocko Schamoni & Orchester Mirage - 18.06.2015 - Heimathafen Neukölln
Rocko Schamoni & Orchester Mirage
Special Guest: Axel Prahl
Eigentlich hatte sich Rocko Schamoni 2006 mit seinem "Schwarzen Album" offiziell von der Musik verabschiedet. Er hatte beschlossen, sich fest dem Literatur- und Theaterbetrieb zu widmen. Doch schon mit dem Soundtrack zum Fraktus-Film und den damit verbunden Tourneen sowie dem Schreiben von Songs für diverse Theater-Stücke wurde er seinen Vorhaben mehr oder weniger untreu. Vor zwei Jahren bekam er das Angebot, für ein Theater-Festival einen Musikabend zu gestalten. Mit dem ganz großen Besteck: Big Band, oder besser gesagt: Orchester.
Schamoni konnte nicht widerstehen und konzipierte dafür "Die Vergessen" - eine Revue mit (seiner Meinung nach zu Unrecht) vergessenen Songs und Melodien, von Hildegard Knef bis Ton Steine Scherben, von der Berliner Band Mutter bis zur Münchener Independent-Institution FSK. Es galt, längst vergessenen Perlen der letzten 50 Jahre Popkultur in der BRD/ DDR ehrenvoll den roten Samtteppich auszurollen. Schamoni startete prompt eine Crowd-Funding-Aktion und sammelte Geld, um das Ergebnis dieser Produktion am Ende unter luxuriösen Studio-Bedingungen aufnehmen zu können.
Man sammelte fast 40.000€ zusammen. Doch dann geschah das Unerwartete: Das Theaterfestival sagte den "Vergessenen"-Abend ab. Nun hatte man zwar ein opulentes Produktionsbudget für ein Album, aber im Grunde gar keine Album mehr aufzunehmen. Schamoni beschloss, mit seinem Bandleader und Arrangeur Sebastian Hoffmann und dem extra für dieses Projekt gegründeten Orchester "Mirage" das Projekt "Die Vergessenen" auch ohne das Festival fertigzustellen. Schließlich freuten sich bereits weit über 600 Crowdfunder auf das kommende Album!
Nun ist es endlich so weit: Ende Mai erscheint "Die Vergessenen" von Rocko Schamoni & Orchester Mirage. Ein opulent arrangiertes Album wie ein Film durch die deutschsprachige (Pop-)Geschichte: Von Knef'schen Orchesterplatten bis zum Zick-Zack-Postpunk und zurück. Die melancholische Poesie einer Christiane Rösinger oder die hymnische Kraft von GUZ! Auch zwei eigene Songs, die in Theaterstücken eingesetzt, aber nie veröffentlicht wurden, hat Schamoni in sein Reservat für vom Aussterben bedrohte Songs aufgenommen.
Am Ende lässt sich auf diesem Album mit Bestimmtheit kein Song mehr einer bestimmten Dekade zuordnen oder wegen fehlendem Produktionsbudget in die Trash-Schublade abtun. "Die Vergessenen" zeigt starke Charaktere im Abseits des deutschen Pop: Lieder, die in der Öffentlichkeit schon immer zu wenig Anerkennung fanden. Schamoni und Mirage haben ihnen ein monumentales Denkmal aus Soundgranit gesetzt. Eine große Momentaufnahme bundesrepublikanischer Popgeschichte. Und ein großes Comeback eines echten Ausnahmekünstlers.
Ein Abend im Heimathafen zwischen Filmmusik und Chanson: dunkel, glamourös, breitwandig, betrunken .